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Interview mit Heinz Irsen im "Bonner Musikkalender"

Das Interview wurde von Herrn Gunter Duvenbeck in der Ausgabe Nr. 29 (15. Juni-15.September 1988), S. 35-37, mit dem Titel "Das Porträt: Der Komponist und Musikpädagoge Heinz Irsen im Gespräch" geführt.
Gunter Duvenbeck
Herr Irsen, in diesen Tagen hat eine Enkelin von Ihnen am Bundeswettbewerb ‘Jugend musiziert’teilgenommen, das heißt, sie hat sowohl im Regional-wie im Landeswettbewerb einen ersten Preis errungen. Betrachten Sie dies nicht als eine schöne Bestätigung Ihres lebenslangen Einsatzes für die musikalische Jugend?
Heinz Irsen
Aber gewiß doch! Und man darf wohl sagen, daß die Musikschulen - öffentliche wie private - und die Musiklehrer hier ein vorbildliches Förderungssystem für den Nachwuchs aufgebaut haben, um Talente frühzeitig zu erkennen und unterstützen zu können.
Gunter Duvenbeck
Nun waren Sie selbst ja ein ‘Mann der ersten Stunde’, besser wohl gar der ‘nullten’ nach dem Ende des Weltkriegs vor rund vierzig Jahren. Damals dachten aber wohl nur wenige an die aktive Förderung des musikalischen Nachswuchses ?
Heinz Irsen
Allerdings, man hatte ja damals andere Sorgen. Aber als es dann, kurz nach der ‘Währungsreform’ ein wenig besser ging, kam uns die Idee, dem Jugendmusizieren auf anspruchsvollem Niveau wieder ‘auf die Sprünge’ zu helfen. Mein Freund Willy Siebertz, der später das Bundeswehr-Musikkorps in München geleitet hat, damals aber noch als Geigenlehrer bei uns am Siegburger Konservatorium tätig war, beredete den Bonner Geigenbauer Möckel, als ersten Preis für einen Schülerwettbewerb eine neue Geige zu stiften und mit der Hilfe weiterer Geldgeber konnten wir dann 1951 erstmals einen Jugend-Wettbewerb veranstalten. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich dann der ‘Möckel-Preis’ zu einer über unseren Raum weit hinaus bekannten und begehrten Sache.
Gunter Duvenbeck
Kamen denn die Teilnehmer nur aus dem Siegburger Konservatorium oder auch anderswoher?
Heinz Irsen
Zu Anfang schon, aber sehr bald weitete sich der Teilnehmerkreis; zuletzt hatten wir rund 80 Teilnehmer aus dem ganzen Land.
Gunter Duvenbeck
Und die Zahl der Fächer dürfte sich auch ausgeweitet haben...
Heinz Irsen
Aber natürlich: Zunächst hatten wir nur Geiger und Pianisten; danach wurde der Preis aber auch für Flöte, Cello und Gesang ausgeschrieben.
Gunter Duvenbeck
Hat man denn später den Erfolg des Siegburger Wettbewerbs auch am beruflichen Werdegang der Preisträger ablesen können?
Heinz Irsen
Das kann man mit Fug und Recht behaupten: eine ganze Reihe der damaligen ‘Sieger ’ hat ihren Weg gemacht, etwa als Konzertmeister in großen Orchestern.
Gunter Duvenbeck
In diesem Sinne darf man also die Einrichtung des Siegburger ‘Möckel-Preises’ als einen der ‘Vorläüfer’ des heutigen Wettbewerbs ‘Jugend musiziert’ betrachten. Bis wann dauerte diese Einrichtung eigentlich?
Heinz Irsen
Im Jahre 1957 starb Möckel, und wir fanden damals keinen ‘Ersatz’ für diesen großzügigen Stifter. Hinzu kam , daß Siebertz, mit dem ich mir die Organisation teilte, zur Bundeswehr ging, und uns überdies die vorher gewährte Unterstützung vom Kölner Regierungspräsidenten versagt wurde mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf, daß solche Wettbewerbe ‘ab sofort’ auf staatlicher Ebene im ganzen Bundesgebiet organisiert würden. Daher fand dann unser Wettbewerb ab 1958 nicht mehr statt. Aber es hat ja dann doch noch ein paar Jahre gedauert, bis ‘Jugend musiziert’ wirklich zum Zuge kam.
Gunter Duvenbeck
Da man jetzt gerade den 25. Wettbewerb abgehalten hat, der jedes Jahr läuft, kann man den Beginn auf die Saison 1963/64 zurückdatieren, also fünf Jahre nach dem Ende der Siegburger Initiative. Nun aber zu Ihnen persönlich: Sie gelten seit vielen Jahren als ‘musikalische Autorität’ Siegburgs. Ist das Ihre angestammte Heimat?
Heinz Irsen
O nein! Ich bin waschechter Kölner, kam aber schon 1942 hierher, als man im Rahmen des sogenannten ‘Volksbildungswerks’ seinerzeit eine Musikschule begründete. Aber im Lauf der Jahrzehnte wächst man natürlich schon ein bißchen hier an. Ich halte aber die Bindungen an meine Vaterstadt aufrecht: jeden Monat fahren wir nach Köln, um dort Freunde zu treffen und durch die Stadt zu gehen...
Gunter Duvenbeck
Den Kennern der Musikszene sind Sie aber nicht nur als tatkräftiger und erfolgreicher Pädagoge, sondern auch als fruchtbarer Komponist bekannt. Ihr umfangreiches Werkverzeichnis...
Heinz Irsen
...das schon vier Jahre alt ist und daher viele neue Sachen noch nicht enthält...
Gunter Duvenbeck
...umfaßt zahlreiche Stücke aller Werkgattungen, vom Klavier über verschiedenartigste Kammerbesetzungen, Chorwerke, bis hin zu Konzerten und Sinfonien. Da fehlt ja eigentlich nur eine Oper...
Heinz Irsen
Immerhin existiert auch auf dem Gebiet des Musiktheaters ein bescheidener Beitrag von mir, und zwar das Märchenspiel ‘Das tapfere Schneiderlein’; ansonsten habe ich mich mit den ‘absoluten’ Formen beschäftigt. Leider liegt nur wenig gedruckt vor, vielleicht weil ich mit meiner Musik nicht so recht in die heutige ‘Landschaft’ passe, denn ich kann es nicht lassen, Musik zu schreiben, die ‘klingt’ und mehr die Ohren als nur die Augen befriedigen will...
Gunter Duvenbeck
Damit sprechen Sie ein fundamentales Problem heutiger Musikproduktion an: von vielen wird ja immer noch wenig Rücksicht auf den Hörer genommen, der ja nicht über dieselben Erfahrungen verfügt, die ein Komponist haben kann. Und wenn einmal, wie das heute weitgehend der Fall ist, der ‘Draht’ zum Hörer verloren ist, dann läßt er sich auch so bald nicht wieder herstellen.
Heinz Irsen
Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, daß meine Sachen durchaus beim Publikum ‘ankommen’, obwohl ich sehr wohl ‘neue’ Musik schreibe, aber ich achte eben darauf, daß sie wirklich aus sinnvollen, hörbaren Klangereignissen besteht, die jeder interessierte Hörer ‘verstehen’ kann. Man darf dabei die Natur nicht ignorieren, denn der Mensch ist mit seinem Gehör und Verstand ja doch ein Teil dieser Natur.
Gunter Duvenbeck
Die Siegburger Musikschule hat in den letzten Jahren regelmäßig Aufführungen Ihrer Musik veranstaltet, und am 1. September wird es wieder einen ‘Heinz-Irsen-Abend’ geben. Dann wird man sich wieder an Ihrer Musik erfreuen können. Weiterhin Glück und Erfolg!

1994, Dietmar Högen, Jan-Wellem-Straße 16, D-51789 Lindlar
1999-04-29, HTML-Fassung durch Werner Icking, GMD.iT